BULGARIEN
Allgemeine Informationen
Bulgarien ist seit 2007 Teil der Europäischen Union und grenzt an die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Rumänien. Bulgarien ist bisher nicht Mitglied des Schengenraums, der Beitrittsprozess ist im Gange.
Durch Grenzschließungen und die Militarisierung in Ungarn und Kroatien verlagert sich die sogenannte Balkanroute wieder vermehrt auch nach Rumänien und Bulgarien. Dorthin gelangen die Menschen vor allem durch die Türkei und seit einiger Zeit verstärkt auch aus Griechenland. Bereits 2014 begann die bulgarische Regierung, einen Zaun zur türkischen Grenze zu errichten, der 2017 schließlich fertiggestellt wurde. Zudem berichten NGOs, wie unter anderem die Organisation Bodermonitoring Bulgaria (BMB), regelmäßig über systematische, gewaltsame Pushbacks an den Grenzen Bulgariens. Ein Bericht der NGO Save the Children beleuchtet, dass davon auch viele Kinder betroffen sind.
Allgemeine Informationen
Als Reaktion auf die Situation in Afghanistan hat Bulgarien angekündigt, die Grenze zu Griechenland und der Türkei weiter zu verstärken und 700 Soldat*innen an die Grenze zu schicken. Daneben ist auch die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache, Frontex, an der bulgarischen Grenze aktiv und kooperiert dort mit den nationalen Grenzbehörden.
Die Asylanträge in Bulgarien sind in den letzten Jahren rückläufig – das Land ist weiterhin vorrangig ein Transitland. Das liegt vor allem an den sehr niedrigen Anerkennungsquoten und den schlechten Integrationsperspektiven. Zudem entsprechen die Aufnahmebedingungen nicht den europäischen Mindeststandards und die Implementierung vieler bereits angemahnter Verbesserungen erfolgt nur langsam.
Situation für People on the Move
Viele Geflüchtete, die sich für einen kürzeren oder längeren Zeitraum in Bulgarien aufgehalten haben, berichten über Gewalterfahrungen mit der Polizei sowie von Pushbacks. Es gibt zahlreiche Berichte über (Ketten)Pushbacks, Pullbacks in die Türkei und die Verweigerung der Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen. Unter anderem die Organisation Josoor berichtete 2021 über zunehmende Pushbacks aus Bulgarien und Griechenland in die Türkei.
Das Vorgehen der bulgarischen Grenzbeamt*innen verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Grundrechtscharta. Um der daraus resultierenden Kritik Vorschub zu leisten, kooperiert Bulgarien, insbesondere seit 2016, intensiv mit den türkischen Behörden: Bereits vor der Grenze werden People on the Move identifiziert und türkische Beamt*innen informiert. So sind Pushbacks oder Pullbacks nicht weiter notwendig. Durch dieses Vorgehen vermeiden bulgarische Behörden „jegliche Verantwortung im Rahmen der Dublin-Verordnung oder der Rückübernahmeregelungen“, wie das Bulgarian Helsinki Committee (BHC) betont. Darüber hinaus werden türkische Staatsbürger*innen, unter anderem politische Dissident*innen, regelmäßig zurückgewiesen oder vor der Grenze abgefangen, was für sie die Flucht über Bulgarien erschwert.
Seit Juni 2018 können Personen, die die Grenze irregulär überqueren, bis zu 30 Tage inhaftiert werden. In diesen Hafteinrichtungen werden Asylsuchende, abgelehnte Asylbewerber*innen und Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltspapiere festgehalten. Durch fehlende Identifikationsmechanismen werden dabei auch besonders schutzbedürftige Menschen inhaftiert. Obwohl formell unbegleitete Minderjährige überhaupt nicht und begleitete Minderjährige nur für drei Monate inhaftiert werden dürfen, werden insbesondere unbegleitete Minderjährige oft fälschlicherweise als „Erwachsene“ identifiziert.
Situation für People on the Move
In Bulgarien gibt es zwei Gefängnisse für Geflüchtete unter der Verwaltung des Innenministeriums, die offiziell als Abschiebegefängnisse dienen. Eine Einrichtung (mit einer Kapazität von 400 Plätzen) befindet sich in Sofia und existiert schon seit längerem (Busmantsi). Die andere (Kapazität: 300 Plätze) befindet sich in der Kleinstadt Lyubimets. Die mögliche Asylhaft wird in Busmantsi in einem gesonderten Block vollzogen, der unter Verwaltung der SAR (bulgarische Asylbehörde) steht. Es gibt fünf Zentren, in die Asylbewerber*innen nach ihrer Haft gebracht werden. Sie befinden sich in Sofia (Voenna Rampa und Ovcha Kupel, Kapazität: 800 bzw. 860 Plätze), in Banya (Kapazität: 70 Plätze), in Pastrogor und Harmanli (Kapazität: 320 bzw. 2.710 Plätze). Diese Zentren sind momentan nur minimal belegt. Dennoch werden sie für mangelnde psychologische Betreuung, mangelnde Infrastruktur und mangelnden Schutz für unbegleitete Minderjährige kritisiert.
Bulgarien hat vergleichsweise hohe freiwillige Rückkehrquoten (ca. 500 bei 2500 Asylanträgen). Das sogenannte „Assisted Voluntary Return“, welches vom IOM umgesetzt wird, wird jedoch sehr kritisch gesehen. Denn den Asylbewerber*innen wird nur ein eingeschränkter Zugang zu Anwält*innen oder genereller Rechtsberatung ermöglicht. Ihnen wird bei freiwilliger Rückkehr ein Ende der (Asyl)-Haft in Aussicht gestellt.
Stand: Januar 2022