Italien
Allgemeine Informationen
Italien ist eines der Gründungsmitglieder der Europäischen Union. Aufgrund seiner Lage am Mittelmeer und da viele italienische Inseln nahe der nordafrikanischen Küste gelegen sind, ist die italienische Küste als EU-Außengrenze das Ziel vieler Schutzsuchender.
Die meisten People on the Move erreichen Italien über das Mittelmeer. Die gefährliche Überfahrt mit dem Boot beginnt meistens in Libyen. Aufgrund des dortigen Bürgerkriegs, der schrecklichen Situation in Libyen für Geflüchtete und der Arbeit der libyschen Küstenwache, die mithilfe der europäischen Grenz- und Küstenwache immer wieder Menschen zurück in libysche Folterlager bringt, starten Menschen zunehmend auch von Tunesien. Auf der gefährlichsten Fluchtroute der Welt starben nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) seit 2014 mehr als 25104 Menschen.
Neben der bekannten Route über das zentrale Mittelmeer haben die Militarisierung und Grenzschließungen vieler Länder zur Verschiebung der so genannten Balkanroute nach Westen geführt. Viele Schutzsuchende sind nun dazu gezwungen, mit dem Boot die Adria zu überqueren, um Europa zu erreichen.
Situation für People on the Move
Unter dem Deckmantel eines Rücknahmeabkommens mit Slowenien werden Menschen auf der Flucht regelmäßig von Italien aus nach Slowenien abgeschoben. Diese Praxis wurde von der italienischen Grenzpolizei systematisch in über 1000 Fällen angewandt. Faktisch sind dies Pushbacks nach Slowenien, welche in Kettenpushbacks über Kroatien bis nach Bosnien und Herzegowina münden. Das Landgericht Rom hat in einem wegweisenden Urteil im Januar 2021 diese sogenannten „informellen Wiederzulassungen“ als rechtswidrig gegenüber der nationalen und internationalen Gesetzgebung verurteilt. In dem Urteil wurde einem Kläger Recht gegeben, der illegalen Kettenpushbacks von Italien bis nach Bosnien und der unmenschlichen Behandlung der kroatischen Grenzpolizei ausgesetzt war. Das Urteil hält fest, dass durch diese Pushbacks Menschen den „unmenschlichen, erniedrigenden Verfahren und der Folter der kroatischen Polizei und Rückführungen nach Bosnien bewusst ausgesetzt“ wurden.
Die allgemeine Situation für Schutzsuchende innerhalb Italiens hat sich seit dem Salvini-Dekret, welches im Oktober 2018 erlassen wurde, zunehmend verschlechtert. Aufgrund der Sparmaßnahmen in der Asylpolitik wurden Aufnahmezentren geschlossen. Dies führt zu prekären Bedingungen in den bestehenden Zentren, wo weder genug Wohnraum noch ausreichende Hygienebedingungen gewährleistet werden können. Auch gibt es keine ausreichende medizinische Versorgung und rechtliche Unterstützung. Der humanitäre Schutzstatus, den die meisten Menschen mit Schutzstatus in Italien innehaben, wurde zudem abgeschafft und die Dauer der Abschiebehaft auf 180 Tage verdoppelt. Durch das Dekret wurde außerdem die Seenotrettung kriminalisiert, wobei mit Strafen von bis zu 1 Millionen Euro und der Beschlagnahmung der Rettungsschiffe zu rechnen ist. Auch verweigerte Italien oft das Anlegen von Schiffen mit aus Seenot geretteten Geflüchteten in seinen Häfen. Dazu kommt ein Abkommen mit der sogenannten libyschen Küstenwache, wonach Italien finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Ausbildung dieser von Milizen geführten Küstenwache leisten soll. Dafür soll die Küstenwache Boote mit Geflüchteten abfangen und nach Libyen zurückbringen. In Libyen werden Geflüchtete häufig in Internierungslager gebracht, aus denen es zahlreiche Berichte über Menschenrechtsverletzungen gibt.
Situation für People on the Move
Zwar entschärft die aktuelle italienische Regierung derzeit die Kriminalisierung der Seenotrettung, wonach die Rettung von Migrant*innen auf dem Mittelmeer und die Landung der Schiffe nicht mehr verboten ist. Jedoch ist immer noch mit Strafen von bis zu 50.000 Euro zu rechnen. Auch wird weiterhin mit der libyschen Küstenwache zusammengearbeitet.
Aufgrund der prekären Situation für Geflüchtete in den Unterbringungen und der mangelnden Unterstützung im Asylverfahren versuchen viele Geflüchtete von Italien weiter in andere Länder Europas zu gelangen. Das Asylsystem in Italien ist überlastet, da das Land neben den Erstanträgen von Geflüchteten auch viele Rücknahmeersuche im Rahmen des Dublin-Verfahrens aus anderen europäischen Ländern erhält.
Erreichen Schutzsuchende das Land über das Mittelmeer, werden sie zunächst in einem Erstaufnahmezentrum untergebracht, in dem sie oft über mehrere Monate unter prekären Bedingungen bleiben müssen. Ein Asylantrag muss bei der Questura (Polizeihauptquartier und administrative Stelle einer jeden Provinz) gestellt werden. Für gewöhnlich erfordert es mehrere Besuche, um sich dort registrieren zu lassen. In dieser Zeit erhält man keine finanzielle Unterstützung. Einige Zeit nach der Registrierung muss ein Asylantrag gestellt werden. Bis zur Stellung eines solchen Antrags, können mehrere Wochen vergehen. Danach vergehen in der Regel mehrere Monate bis zur Anhörung und noch einmal bis zum Entscheid.
Rückkehrende im Rahmen der Dublin-III-VO, die vor ihrer Ausreise keinen Asylantrag gestellt haben, müssen das gleiche Verfahren durchlaufen. Wurde bereits ein Antrag auf Asyl gestellt, muss die Person zur Questura ihres Erstantrages und hat häufig kein Recht mehr auf eine Unterkunft. Wenn noch keine 12 Monate seit der Ausreise des Geflüchteten vergangen sind, kann das Asylverfahren wieder aufgenommen werden, wenn mehr als 12 Monate vergangen sind, wird das Asylverfahren für abgeschlossen erklärt.
Stand: Januar 2022