Bosnien und Herzegowina
Allgemeine Informationen
Bosnien und Herzegowina grenzt im Westen und Norden an den EU-Mitgliedstaat Kroatien, im Osten an Serbien sowie Montenegro. Seit 2017 verlagerte sich die sogenannte Balkanroute immer mehr hierher.
Das Land befindet sich schon viele Jahre im so genannten „Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess“(SAP), einem eigens für die Nachfolgestaaten Jugoslawiens geschaffenen Instrument zur Europäisierung möglicher Mitgliedstaaten. 2003 wurde Bosnien, wie alle anderen SAP Länder, als potenzieller Beitrittskandidat anerkannt. Im Februar 2016 wurde schließlich ein Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt, die Verhandlungen laufen. Im Oktober 2022 wurde Bosnien und Herzegowina von der EU-Kommission als Beitrittskandidat vorgeschlagen. Nun müssen die Mitgliedstaaten mit einem einstimmigen Entschluss darüber entscheiden.
Die Europäische Migrations- und Grenzpolitik ist spätestens seit 2015/16 und den Geschehnissen auf der sogenannten Balkanroute zu einem zentralen Element der bosnisch-europäischen Beziehungen geworden. Kooperation mit Blick auf Migrationskontrolle und Abschottung sind zu Kriterien für den EU-Beitritt geworden und werden mit Visa-Liberalisierungen oder finanzieller Unterstützung belohnt. Auch durch diese besondere Abhängigkeit zur Europäischen Union hat sich Bosnien und Herzegowina in den letzten Jahren immer mehr zum „Gatekeeper“ Europäischer Migrationspolitik entwickelt.
Allgemeine Informationen
Die Folgen des Jugoslawienkrieges der 1990er Jahre sind im politischen System Bosnien und Herzegowinas weiterhin spür- und sichtbar. Die internationale Gemeinschaft beteiligte sich an der Beendigung des Krieges und begleitet seither den Friedens- und Demokratisierungsprozess unter anderem auch durch das 1995 geschaffene Amt des Hohen UN-Repräsentanten.
Die heutige Verfassung Bosniens ist als Teil des Friedensvertrages von Dayton (1995) integraler Teil eines internationalen Abkommens und sollte nach dem Krieg der 1990er Jahre eine ausgleichende Rolle übernehmen. Sie garantiert die Machtteilung über einen stark dezentralen Föderalismus nach der Formel „one state, two entities and three nations“ und die paritätische Vertretung der drei konstitutiven Volksgruppen in allen politischen Gremien. Dies gilt auch für das Amt der*des Staatspräsident*in: Je eine Vertretung der kroatischen, serbischen und muslimischen Bosnier*innen werden gewählt, der Vorsitz rotiert alle acht Monate.
Diese Norm wurde zum Ausgangspunkt für die Klage von Dervo Sejdić und Jakob Finci, da sie als Minderheitenangehörige ihr aktives Wahlrecht nicht wahrnehmen können. Im Dezember 2009 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein richtungsweisendes Urteil: Bosnien und Herzegowina verstößt qua Verfassung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und diskriminiert damit aktiv die Rechte von Minderheiten. Bis heute konnte sich auf keine Verfassungsänderung geeinigt werden.
Situation für People on the Move
Seit 2017/2018 ist Bosnien und Herzegowina ein wichtiges Transitland für Migrant*innen. Durch Grenzschließungen von Ungarn, zunächst zu Serbien und dann zu Kroatien, hat sich die Balkanroute Richtung Westen und damit nach Bosnien und Herzegowina verschoben. Aktuell sind schätzungsweise 3.000 Menschen auf der Flucht in offiziellen Unterkünften, mindestens genau so viele in inoffiziellen Unterkünften. Das Asylsystem in Bosnien und Herzegowina ist mangelhaft. Asylverfahren werden nur in wenigen Einzelfällen durchgeführt. Seit 2010 wurde lediglich neun Menschen der Flüchtlingsstatus zuerkannt und 136 subsidärer Schutz gewährt.
Situation für People on the Move
Die Menschen werden vor Ort in meist von der IOM geführten Camps untergebracht. Die dort vorhandenen Plätze reichen allerdings nicht aus und die Versorgung ist mangelhaft. Ca. die Hälfte der Menschen halten sich deshalb dauerhaft in inoffziellen Squats, leerstehenden Häusern, in Wäldern oder auf der Straße auf. Aktuelle Hotspots haben sich in Sarajevo, Velika Kladuša, Bihać und Tuzla gebildet. Doch Bosnien ist nicht das Ziel dieser Menschen – das Ziel ist die EU. Das kroatische (und damit das europäische) Grenzregime hindert sie gewaltsam und mit Pushbacks an der Weiterreise und somit daran, Schutz in der EU zu suchen und dort einen Asylantrag zu stellen.
Unterstützungsstrukturen
In Bosnien und Herzegowina hat sich ein großes und vielseitiges Unterstützungsnetzwerk aufgebaut: In Sarajevo: Collective Aid, Compass071, World Travelers Community Center. In Bihac: No Name Kitchen, Compass071, Frach-Collective; In Velika Kladuša: Emmaus, NoNameKitchen, Rahma. Außerdem eine Vielzahl an lokalen Kleinststrukturen und Einzelpersonen (siehe z.B. auch von der BBS unterstützte Projekte). Grundsätzlich sind auch Ärzte ohne Grenzen, Caritas, Rotes Kreuz usw. Aktiv. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit! Kontaktier uns gerne!
Stand: Februar 2023