Franziskas Spendentour für die Balkanbrücke

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Franziskas Spendentour für die Balkanbrücke

"Erst dann wurde mir richtig bewusst, was für ein Privileg es ist, diese Reiseroute mit dem Fahrrad zu planen"

Vor ein paar Wochen hat uns Franziska kontaktiert und uns von ihrer Idee berichtet, mit dem Fahrrad gen Südosteuropa zu radeln. Das Spanennde dabei? Sie möchte auf die Situation von People on the Move und deren Unterstützer*innen aufmerksam machen und Spenden für die Balkanbrücke generieren. Wie ihr die Idee dazu kam und was sie genau vorhat, erfahrt ihr in diesem Interview.

// Hey Franziska, du startest in ein paar Tagen deine Fahrradtour. Was genau hast du vor?

Hey Theresa, genau, ich werde in wenigen Tagen losradeln. Tatsächlich ist meine Route noch nicht endgültig geplant. Zu Beginn begleiten mich zwei Freund*innen und wir mussten schon wenige Tage vor dem Start einige Pläne über den Haufen werfen: Die Deutsche Bahn hat unseren ICE storniert. Deshalb starten wir später und anders als ursprünglich geplant am 13.08. in Villach Richtung Osten. Das gute am Fahrrad fahren ist: Ich bin auf dem Weg flexibel. Ich plane, zunächst durch Österreich, Slowenien und Kroatien zu fahren. Danach geht es weiter nach Bosnien und Herzegowina, bis ich schließlich in Belgrad in Serbien ankomme. Danach ist meine Reise offen und noch nicht weiter geplant. Ich werde voraussichtlich bis Ende Oktober mit meinem Fahrrad und Zelt unterwegs sein.

// Wie hast du die Route für deine Tour ausgewählt?

Tatsächlich überlege ich schon länger, Länder in Südosteuropa mit dem Fahrrad zu bereisen. Meine Eltern sind mit mir und meiner Schwester als Kinder immer in die Alpen in den Urlaub gefahren und später habe ich nur westeuropäische Länder bereist. Mein Interesse an osteuropäischen Ländern kam erst in den letzten Jahren auf, als ich gemerkt habe, wie wenig ich historisch und geographisch über die Länder und die Menschen dort weiß.

// Wieso fährst du mit dem Rad?

Ich fahre in meiner Freizeit liebend gerne Radtouren. Das Besondere am Fahrradfahren ist meinem Empfinden nach das Tempo, mit dem man sich fortbewegt. Mit der eigenen Körperkraft kann man enorme Distanzen zurücklegen und beobachten, wie sich die Landschaft und Natur verändern. Das fasziniert mich. Außerdem scheint mir das langsame Reisen auch für den Kopf sehr hilfreich, um die Veränderungen der Umgebung verarbeiten zu können.

Auf Radreisen merke ich immer, wie abhängig ich von den Infrastrukturen und Menschen um mich herum bin. Diese Erfahrung kann zwar starke Verunsicherungen auslösen, ermöglicht in meinen Augen aber auch starke Verbundenheit zu den Menschen, Gegebenheiten und der Natur um einen herum. Bisher habe ich nur positive Erfahrungen in Hilfesituationen gesammelt. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich jetzt vollkommen naiv durch die Welt reise, aber es verändert doch das Menschenbild zum Positiven.

 // Wie bist du darauf gekommen, die ‚Balkanroute‘ zu thematisieren und Spenden für die Balkanbrücke zu sammeln?

Ich könnte sagen, dass ich mit der Spendenaktion im Nachhinein eine gute Geschichte über meine Reise erzählen kann. Die Wahrheit ist aber: Die Idee, Spenden für die Balkanbrücke zu sammeln, war eher Zufall. Seit Monaten plane ich zum Ende meines Masterstudiums eine Fahrradtour über den ‚Balkan‘. Ich war eher zufällig mit Freund*innen bei einer Ausstellung der Balkanbrücke „On The Move“ in Köln, wo es um die Fluchtroute über den ‚Balkan‘ ging. Das hat mich sehr bewegt. Dort wurde mir erst richtig bewusst, was für ein Privileg es ist, diese Reiseroute mit dem Fahrrad zu planen. Damit habe ich gleichzeitig die Verantwortung verspürt, mit der Balkanbrücke in Kontakt zu treten und meine Unterstützung anzubieten.

// Du bist Mitgründerin der Initiative „Buntes Bad Orb“ und weiter dort aktiv, obwohl du mittlerweile in Köln wohnst. Wie bringst du dein anstehendes Projekt zusammen mit Themen, die dich hier vor Ort schon seit vielen Jahren beschäftigen?

Auch wenn ich nicht mehr in Bad Orb wohne, fühle ich mich in dem Ort sehr verwurzelt. Der Ort, die Vereine, die Menschen dort haben mich sehr positiv geprägt. Ich war in Bad Orb viele Jahre ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig, wo sich v.a. nach 2015 viele Menschen für die Lebenssituation für Geflüchtete einsetzten. In vielen Vereinen und Gruppen habe ich zu diesem Zeitpunkt ein Solidaritäts- und Gemeinschaftsgefühl zur Integration wahrgenommen. Mittlerweile hat sich die Stimmung sehr verändert. Mein Eindruck ist, dass sich die engagierten Menschen alleine gelassen gefühlt haben und es zu Überforderungen kam. Das führt dazu, dass sich immer mehr Menschen aus dem Engagement zurückzogen. Das nehme ich auch in anderen ländlichen Räumen wahr, nicht nur in Bad Orb.

Bei der Landtagswahl letztes Jahr erzielte die AfD in Bad Orb mit 24% sehr hohe Zustimmung. Das Ergebnis veranlasste neben mir einige junge Menschen, das politische Schweigen zu durchbrechen und sich nochmal in der Heimat politisch zu engagieren. Ich habe das Gefühl, dass kaum noch Empathie für die Situation von Geflüchteten aufgebracht werden kann. In Zeiten der öffentlichen Sparmaßnahmen und überschuldeten Kommunen ist es auch wenig verwunderlich, dass es einen Konkurrenzkampf um finanzielle Mittel gibt. Da scheint es ein leichtes Unterfangen, „nach unten“ zu treten. Ich selbst hadere sehr viel mit dieser Situation, da ich die Überforderung der Kommunen und damit der Menschen, die sich im Bereich Integration engagieren, absolut nicht negieren möchte. Solange kommunale Finanzpolitik als ein rein technokratischer Prozess verstanden wird, in dem sich um ausgeglichene Haushalte geht, sehe ich da aber wenig Spielraum. Vielmehr sollte generell in öffentliche Infrastrukturen für alle investiert werden, um aus dem Konkurrenzkampf um knappe finanzielle Ressourcen herauszukommen. Ein Beispiel wäre flächendeckender und kostengünstiger ÖPNV für alle.

Mit der Spendenaktion für die Balkanbrücke und der Öffentlichkeitsarbeit sehe ich die Chance, eigene Erfahrungen zu sammeln, die ich dann wiederum teilen kann. Die Balkanbrücke war mir bisher unbekannt. Auch die Missstände auf der sogenannten Balkanroute waren mir lange Zeit nicht bewusst, bzw. ich habe sie verdrängt.

// Welche Herausforderungen erwarten dich womöglich auf deiner Tour? Wie bereitest du dich darauf vor?

Ich denke, auf der Reise werde ich mit vielen neuen Situationen konfrontiert. Ich werde zum ersten Mal alleine reisen. Aus meinem familiären Umfeld nehme ich viele Sorgen und Ängste um mich wahr, was in der Vorbereitung zu großen Aushandlungen geführt hat. Dass ich als Frau allein in Länder des ‚Balkans‘ reiseb scheint mit vielen Ängsten besetzt zu sein. Auch ich habe großen Respekt vor dem Alleinreisen. Das Buch „Die Freiheit, allein zu sein“ von Sarah Diel hat mich sehr aufgerüttelt, da v. a. weibliche Personen immer noch zu wenige Räume zum Alleinsein haben. Der Umgang mit all den Gefühlen, die mit der Erfahrung des Alleinseins einhergehen, wird eine spannende Herausforderung.

Eine andere Herausforderung sehe ich in der Auseinandersetzung mit der politischen Situation von People on The Move. Von Berichten weiß ich, dass die europäische Migrationspolitik die politische Situation für Schutzsuchende stark verschlechtert. Die Auslagerung und Militarisierung des Grenzschutzes schränken die Rechte der Menschen ein, wodurch sie unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Bekannte Beispiele sind, dass Schutzsuchende schon an den Grenzen verhaftet, geschlagen und zunehmend kriminalisiert werden. Hinzu kommt, dass Menschen gewaltvoll an der Grenze zurückgewiesen werden, ohne die Möglichkeit zu haben, einen Asylantrag zu stellen. In meinem gewohnten Umfeld, kann ich die Gewalt und die Krisen relativ einfach ausblenden. Deshalb wird es äußerst spannend, mit Menschen darüber in Kontakt zu kommen.

Und schließlich stecke ich mitten in der persönlichen Aushandlung zum Umgang mit der Freiwilligenarbeit. Zu Recht gibt es viel Kritik an unkritischer Freiwilligenarbeit mit People on the Move. Auch ich fahre zu Projekten mit der Absicht „etwas Gutes zu tun“. Gleichzeitig bin ich natürlich nicht die vermeintlich weiße Heldin, die andere Menschen aus ihrer diskriminierten Position befreit. Wie schon in der Vorbereitung geht es die nächsten Wochen auch darum, mich vertieft mit Rassismus, Eurozentrismus und dem sogenannten „White Saviourism“ auseinanderzusetzen, um mir meiner Rolle bewusster zu werden und um den Versuch, Hierarchien nicht zu reproduzieren. Der Verein Brückenwind hat sehr hilfreiches Online-Material zur kritischen Reflexion von Freiwilligenarbeit, das ich sehr empfehlen kann.

 // Wohin sollen die Spendengelder fließen?

Die Spendengelder werden direkt an die lokalen Spendenprojekte der Balkanbrücke weitergeleitet. Dazu gehören Klikaktiv in Belgrad, das World Travelers Community Center in Sarajevo sowie Compass 071 in Sarajevo. Gemeinsam ist den Projekten, dass sie Menschen in Not unabhängig ihrer Staatszugehörigkeit oder Aufenthaltstitels unterstützen, beraten und einfach da sind. Die gesammelten Spenden werden auf die drei Projekte gleichmäßig aufgeteilt. Der genaue Verwendungszweck ist den Projekten selbst überlassen.

// Worauf freust du dich?

Am meisten freue ich mich auf die neuen Erfahrungen und das Ungewisse. So eine Reise kann ich nicht wirklich bis ins Detail planen und vieles entzieht sich meiner Kontrolle. Daher freue ich mich vor allem auf die Begegnungen und auf die Erfahrung, so viel Zeit draußen unter freiem Himmel zu verbringen.

Wir werden Franzi auf ihrer Reise begleiten und berichten, was sie zu erzählen hat. Schon jetzt ist ein Artikel in der lokalen Zeitung in Bad Orb über die Aktion erschienen. Stay tuned!

Gute Reise dir, liebe Franziska!

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