Griechenland

Allgemeine Informationen

Griechenland ist seit 1981 Teil der “Europäischen Gemeinschaft”. Es ist ein “Ersteinreise-Land” für Menschen, die Schutz in Europa suchen. Aufgrund der europäischen Dublin-III-Verordnung ist Griechenland für Prüfung der Asylanträge von Personen zuständig, die in Griechenland als ersten EU-Staat ankommen. Das führt dazu, dass Länder wie Deutschland Migrant*innen, die in Griechenland ankommen und von dort aus nach Deutschland weiterreisen, nach Griechenland abschieben kann.

Im Norden grenzt Griechenland an Albanien, Nordmazedonien und Bulgarien. Griechenland teilt außerdem eine See- und Landgrenze mit der Türkei. An dieser Grenze kommt es regelmäßig zu gewaltvollen Pushbacks, sowohl durch die Küstenwache über das Meer, als auch durch die Grenzpolizei über die Landgrenze. Eine Mission von Frontex, der europäischen Grenz- und Küstenwache, ist dort im Gange: Berichte aus der Ägais zeigen, dass Frontex-Beamt*innen an den Pushbacks der nationalen Grenzpolizei zugesehen oder sogar aktiv mitgewirkt haben.

Allgemeine Informationen

2015 ist Griechenland zum Hauptankunftsland für Flüchtende innerhalb der EU geworden. Mehr als eine Millionen Menschen kamen damals nach Griechenland. Viele Menschen versuchen Griechenland über die nördlichen Grenzen zu verlassen, andere auf dem Seeweg nach Italien oder per Flugzeug in andere Länder der Europäischen Union zu gelangen.  Durch den “formalisierten Korridor” entlang der sogenannten Balkanroute wurde der Transit nach West- und Nordeuropa für einige Monate vereinfacht. Im Frühjahr 2016 wurde jedoch die Grenze zu Nordmazedonien geschlossen. Viele Flüchtende warteten mehrere Wochen im provisorischen Camp Idomeni auf eine evtl. erneute Grenzöffnung. Nach dem Abschluss des EU-Türkei-Deals wurde Idomeni geräumt und die Menschen wurden in griechischen Lagern untergebracht.

Situation für People on the Move

People on the move, die auf dem Landweg nach Griechenland gelangen, müssen sich per Skype bei der Polizei oder der Asylbehörde registrieren. Häufig werden Menschen jedoch verhaftet, bevor sie einen Asylantrag stellen konnten. Nach mehreren Wochen Haft werden sie mit der Auflage entlassen, sich bei der Asylbehörde zu melden. Es dauert oft viele Monate, bis die Registrierung per Skype gelingt. Während dieser Zeit besteht keinerlei Anspruch auf staatliche Leistungen. Menschen mit erfolgreicher Registrierung erhalten eine White Card, ein Ausweispapier. Auf einen Platz in einem Camp müssen Menschen auch nach dieser Registrierung jedoch oft sehr lange warten. Die Wartezeit auf die Asylanhörung kann bis zu vier oder fünf Jahre betragen. In den tatsächlich durchgeführten Asylverfahren zwischen 2013 und 2020 wurden 46,3% der Antragsteller*innen in erster Instanz anerkannt. Sie bekamen entweder Flüchtlingsstatus (38,4%) oder Subsidiären Schutz (7,9%).

Der im Frühjahr 2016 beschlossene EU-Türkei-Deal hatte zum Ziel, die Fluchtbewegung von der Türkei in die EU zu reduzieren. Dabei wurden die Rechte der Menschen auf der Flucht systematisch ausgehebelt. Das Abkommen sieht vor, Schutzsuchende schneller von den Griechischen Inseln in die Türkei abschieben zu können. Wenn die Türkei für die Menschen ein sogenanntes „sicheres Drittland“ darstellt, wird der Asylantrag für unzulässig erklärt und inhaltlich nicht geprüft.

Situation für People on the Move

Die EU hat im Gegenzug finanzielle Mittel für die Grundversorgung der Menschen versprochen und angekündigt, für jede abgeschobene syrische Person einen syrischen Flüchtling direkt aus der Türkei aufzunehmen. Die Einstufung der Türkei als “sicherer” Drittstaat ist problematisch, da Menschen auf der Flucht in der Türkei nicht die Rechte gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten und es immer mehr Berichte darüber gibt, dass Syrer:innen aus der Türkei nach Idlib, ein syrisches Kriegsgebiet, abgeschoben werden.

Außerdem hat der EU-Türkei-Deal für die katastrophalen Bedingungen auf den griechischen Inseln gesorgt: Für die Verfahren wurden auf den fünf Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sogenannte Hotspots eingerichtet. Hotspots (offiziell Empfangs- und Identifikationszentren) sind Camps, in denen – unter katastrophalen Bedingungen – Asylbewerber:innen während ihres Asylverfahrens leben. Es fehlt an Sanitäranlagen, Kochmöglichkeiten, medizinischer Versorgung, Zugang zu Schulbildung und zu rechtlicher Beratung

Im September 2020 wurde das größte Camp Moria auf der Insel Lesbos vollständig zerstört. Als “Lösung” wurde ein neues Camp (Kara Tepe) aufgebaut. Dort sind die materiellen Lebensbedingungen noch schlechter und das Camp darf tagsüber nur bis 19 Uhr verlassen werden. Weiter plant die griechische Regierung, auf den Inseln geschlossene Hotspot-Camps zu errichten. An den Asylverfahren ist auch die EU-Asylbehörde EASO beteiligt.

Auf dem Festland befinden sich zahlreiche weitere Camps. Auch diese Camps sind oft unterversorgt und außerhalb von Ortschaften und mit mangelhafter Verkehrsanbindung gelegen. Für Schutzsuchende ist vor allem der Zugang zu Informationen, Rechtsberatung und zu Sprachkursen ein Problem, insbesondere wenn sie nicht in einer der großen Städte leben.

Nachdem die rechte Mitsotakis-Regierung im Sommer 2019 an die Macht gekommen ist, wurde im Frühsommer 2020 damit begonnen, anerkannte Flüchtlinge einen Monat nach der Anerkennung aus staatlichen Camps bzw. staatlich finanzierten Wohnungen zu werfen und ihnen die finanzielle Unterstützung durch die CashCards zu entziehen.

Da es während des Asylverfahrens keinerlei staatliche Integrationsmaßnahmen wie z.B. Sprachkurse und berufsbezogene Angebote gab, und es in Griechenland weiterhin eine sehr hohe Arbeitslosigkeit gibt, leben viele der anerkannten Flüchtlinge mittellos auf der Straße.

Die Mitsotakis-Regierung schloss zudem direkt nach Machtantritt Asylsuchende vom Zugang zur Sozialversicherungsnummer AMKA aus, was gleichzeitig den Ausschluss aus medizinischer Versorgung, abgesehen von Notfallversorgung, bedeutet. Mitte 2020 wurde eine spezielle Karte für Asylsuchende eingeführt, die Menschen zur Krankenversorgung berechtigt, nicht aber zur Arbeit. Im März 2020 setzte Griechenland das Asylrecht für einen Monat aus, da vermehrt Menschen aus der Türkei ankamen. Auch im Zuge der Situation in Afghanistan kündigte Griechenland an, das Asylrecht erneut aussetzen zu wollen, wenn es zu einer größeren Fluchtbewegung kommt. 

Unterstützungsstrukturen

Im Moria-Camp und seit kurzem auch in anderen Camps haben sich Selbstorganisationen von Bewohner*innen gebildet, die sich um praktische Fragen des Alltagslebens kümmern und auch politische Partizipation anstreben, z.B. in Moria das Moria Corona Awareness Team oder im Ritsona-Camp das Youth Refugees Movement.

Die Kampagne “Now you see me moria”, die von zwei afghanischen Künstlern ins Leben gerufen wurde, lenkt zudem durch Plakataktionen Aufmerksamkeit auf die Situation in den Lagern.

Seit 2015 gibt es zahlreiche griechische und internationale NGOs, Solidaritäts- und grassroot-Gruppen und unabhängige Freiwillige, die in den Lagern und außerhalb Unterstützungsarbeit leisten. Einige der größeren NGOs übernehmen auch staatliche Aufträge, wie z.B. die Organisation oder den Sozialdienst in Camps. Versorgung vor Aufnahme in einem Camp oder einer Wohnung und nach Anerkennung  weitgehend bei nicht-staatlichen Akteur*innen NGOs müssen sich auf einer Online-Plattform registrieren, wenn sie legal in Griechenland arbeiten wollen. Die griechische Regierung versucht, diese Organisationen zunehmend zu kontrollieren und teilweise auch zu kriminalisieren. Ihnen wird Missbrauch von Fördermitteln vorgeworfen, einigen auch eine Zusammenarbeit mit Schleuser*innen.

Stand: Januar 2022

Unterstützungsstrukturen

Die Unterstützungsangebote sind differenziert, die meisten Gruppen und Organisationen sind über Facebook gut vernetzt. Zentrale Links, von denen aus man andere lokale Gruppen finden kann, sind:

Landesweit (offene Gruppe): https://www.facebook.com/groups/greecevolinfopoint/

Athen (mit Anmeldung): https://www.facebook.com/groups/AthensVolunteersInformation/

Griechischer Flüchtlingsrat: https://www.gcr.gr/en

Griechisches Flüchtlingsforum, Zusammenschluss von Flüchtlingsgruppen: https://www.facebook.com/Greekforumofrefugees

NGOs mit Sitz in Deutschland sind beispielsweise:

Rechtsberatung und –vertretung in Asylverfahren und Familienzusammenführung: Equal Rights beyond Borders https://www.equal-rights.org

Medizinische Versorgung: Medical Volunteers International https://medical-volunteers.org/de

Materielle Hilfe / Konvois: https://wir-packens-an.info/

Weitere Organisationen zusammengestellt von der deutschen Botschaft in Griechenland (Stand 12.2019): https://griechenland.diplo.de/blob/1338150/c32710d8cb8e8054e41c4b64323e41be/merkblatt-hilfsorganisationen-hilfe-fuer-fluechtlinge-in-griechenland-data.pdf

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