Während die EU ihre Außengrenzen als Schutzschuld inszeniert, werden hier Menschenrechte mit Füßen getreten: Jährlich werden hunderte People on the Move in Abschiebehaft etwa in Bosnien-Herzegowina und Serbien festgehalten – darunter auch Kinder. Mit dem neuen Fokus der EU auf Rückführungen werden diese Länder wohlmöglich zu Schauplätzen einer gefährlichen neuen Strategie: den sogenannten „Return Hubs“. In diesen „Rückführungszentren“ (Abschiebehaftanlagen) sollen Menschen systematisch festgehalten und abgeschoben werden – außerhalb der EU und fernab des öffentlichen Blicks, ohne angemessene medizinische Versorgung oder rechtliche Unterstützung.
Ein aktuelles Positionspapier unserer Projektpartner Intergreat und Klikaktiv in Zusammenarbeit mit CollectiveAid und Stichting Vluchteling, beleuchtet die aktuelle Situation in Bosnien-Herzegowina und Serbien mit Blick auf die Rückführungsstrategien der Europäischen Union. Sie appellieren an die EU und ihre Mitgliedsstaaten, die Einrichtung von sogenannten Rückführungszentren zu verhindern und das Recht auf Asyl und das Prinzip des Non-Refoulement zu respektieren. Sie fordern langfristige Schutzlösungen und sichere Zugangswege. Eine humane und gerechte Migrationspolitik ist demnach nur möglich, wenn Rechte und Würde im Mittelpunkt stehen.
Rückübernahmeabkommen
Bosnien-Herzegowina und Serbien spielen eine zunehmend zentrale Rolle in den Rückführungs- und Abschiebestrategien der Europäischen Union. Beide Länder sind nicht nur Transitländer, sondern fungieren immer häufiger auch als Auffangbecken für Schutzsuchende, die im Rahmen von Rückübernahmeabkommen aus der EU zurückgeschickt werden. Rückübernahmeabkommen führen zu einer Legalisierung von Pushbacks. Sie sind bilaterale Verträge, in denen sich ein Staat verpflichtet, Personen zurückzunehmen, die sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in einem anderen Staat aufhalten – oft betrifft das eigene Staatsangehörige, aber auch Drittstaatsangehörige, die über das betreffende Land eingereist sind. Mehr über die Praxis von Rückübernahmeabkommen erfahrt ihr in einem anderen Bericht von KlikAktiv. Ihr findet ihn hier.
Im Jahr 2023 übernahm Bosnien-Herzegowina über diese Abkommen 4.600 Menschen – vor allem aus Kroatien. Während in Serbien 2024 370 Menschen aus der EU zurückgeführt wurden, hauptsächlich aus Kroatien und Rumänien. Gleichzeitig hat Serbien selbst 121 Menschen nach Bulgarien abgeschoben. NGOs warnen: Diese Abkommen senken die Schwelle für Rückführungen drastisch, ohne sicherzustellen, dass die Rechte der Betroffenen gewahrt werden. Oft erfolgt die Rückübernahme aufgrund bloßer Vermutungen über Herkunft und Reiseroute der Betroffenen.
Abschiebehaft
Zurück in Bosnien-Herzegowina uns Serbien, landen viele der „Rückübernommen“ in Abschiebehaft. Die Bedingungen, unter denen diese Menschen dort leben – oder vielmehr festgehalten werden – sind alarmierend.
In Bosnien-Herzegowina existiert mit dem Inhaftierungszentrum in Lukavica bei Sarajevo derzeit eine offizielle Haftanstalt für Geflüchtete – mit einer Kapazität von 120 Personen, darunter auch Familien. Menschen werden dort teils bis zu 18 Monate lang festgehalten – oft wegen fehlender Papiere, abgelehnter Asylanträge oder oben genannter Rückführungen aus der EU. Der Zugang zu medizinischer und psychologischer Versorgung ist unzureichend, ebenso der Zugang zu rechtlichem Beistand: Die NGO Vaša Prava bietet zwar Beratung an, doch fehlt es den Betroffenen schlichtweg an Informationen. Der Ombudsmann für Menschenrechte war seit 2018 nicht mehr vor Ort. Die Pläne, auch im Camp Lipa eine entsprechende Einrichtung zu eröffnen, liegen seit 2023 auf Eis.
Auch in Serbien gibt es drei Inhaftierungszentren für Geflüchtete, die gerade in Nutzung sind. Haftstandards sind nicht gesetzlich, sondern lediglich durch eine Bylaw geregelt. Medizinische Betreuung bleibt mangelhaft – auch wenn der Ombudsman gegen Folter 2023 forderte, medizinisches Personal in den Camps einzusetzen. In der Praxis berichten NGOs von gravierenden Defiziten: mangelhafte Hygiene, kein effektiver Zugang zu Medikamenten, kaum psychologische Unterstützung. Besonders gravierend ist auch hier der fehlende Zugang zu Rechtsmitteln. Im Jahr 2024 wurden in Serbien 436 Menschen (meist Afghan:innen, Syrer:innen und Türk:en) inhaftiert – aber nur 11 reichten wegen der hohen Anwaltskosten Klage gegen ihre Haft ein, von denen eine erfolgreich war. Sprachbarrieren verschärfen die Situation: Bescheide werden nur auf Serbisch ausgehändigt, Dolmetscher:innen fehlen in vielen Fällen.
Rückführungsverfahren
Bosnien-Herzegowina hat 2023 rund 2.582 Menschen abgeschoben, überwiegend nach Afghanistan, Pakistan, Marokko, Nepal und die Türkei. In vielen Fällen geht es um Menschen, die legal eingereist sind, aber beim Versuch, in die EU weiterzureisen, aufgegriffen wurden. Ein neues Grenzkontrollgesetz von 2025 verschärft die Lage: Es stuft Migration als „Bedrohung“ gleich mit Terrorismus ein und legalisiert in Artikel 55 indirekt Pushbacks, also völkerrechtswidrige Zurückweisungen an der Grenze – ein klarer Bruch des Rechts auf Asyl.
Auch in Serbien zeigt sich eine bedenkliche Entwicklung: Das neue „Ausländergesetz“ von 2018 wird von der EU zwar formell anerkannt, doch NGOs beklagen massive Rechtslücken. Statt Asylverfahren einzuleiten, spricht das Innenministerium in der Regel Rückführungsentscheidungen aus – auch gegenüber Schutzbedürftigen. Im Jahr 2024 wurden 12.551 Rückführungen angeordnet, aber nur 850 Menschen als Asylsuchende registriert. Gerade einmal 7 Personen erhielten Schutzstatus. Rückführungen erfolgen teils sogar in unbekannte Drittländer – ein klarer Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention.
Insgesamt ist die Praxis der Abschiebungen aus Bosnien-Herzegowina und Serbien zurück in die Herkunftsländer der Betroffenen aktuell noch nicht besonders ausgereift und die Zahlen bislang verhältnismäßig niedrig.
Fazit: Abschottung durch Auslagerung
Mit dem Vorschlag der neuen Rückführungsverordnung durch die Europäische Kommission am 11. März 2025 hat die politische Debatte über diese sogenannten Rückführungszentren eine neue Richtung eingeschlagen. Durch die Aufnahme eines Artikels, der die mögliche Nutzung solcher Zentren auch in Drittstaaten erlaubt, steigen die Chancen, dass solche „Return Hubs“ entlang der ‚Balkanroute‘ tatsächlich eingerichtet werden. Der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei, Jeron Lenaers etwa, sieht in Südosteuropa einen „idealen Standort“ für ein solches Rückführungszentrum.[1]
In Bosnien-Herzegowina und Serbien zeichnet sich somit ein Abschottungssystem ab, das fundamentale Menschenrechte verletzt. Die EU übt massiven politischen Druck auf diese Länder aus, indem sie Beitrittsperspektiven, Visaerleichterungen und finanzielle Hilfen an die Zusammenarbeit in Migrationsfragen knüpft. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass Rückführungen und die Akzeptanz fragwürdiger Rückübernahmeabkommen als politische Währung genutzt werden – oft ohne, dass die Betroffenen Zugang zu fairen Asylverfahren erhalten. Die geplanten „Return Hubs“ drohen, diese Praxis weiter zu verfestigen und Schutzsuchende weiterhin zu entrechten, festzuhalten und in unsichere Situationen abzuschieben. Der Aufbau solcher Zentren ohne rechtsstaatliche Sicherung gefährdet nicht nur einzelne Schicksale, sondern stellt die gesamte europäische Asylpolitik in Frage.
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[1]: Unsere Freund*innen von Intergreat berichten von einer Veranstaltung zum Thema „Strengthening Rights-Based Responses to Migration“, bei dem Vertreter*innen hoher staatlicher Institutionen Bosnien Herzegowinas anwesend waren, die auf Rückfrage noch nie von den Plänen der „Return Hubs“ gehört haben wollen.